Offiziere sollen an Schulbüchern mitschreiben und im Klassenzimmer unterrichten? Meinetwegen.

Ich habe vor vielen Jahren mal Vladimir Putin ziemlich hautnah erlebt, bei einer Pressekonferenz in der Hofburg. Eine Frage aus österreichischer Sicht war erlaubt, dafür wurde eine sehr junge, sehr hübsche Journalistin der Kronen Zeitung ausgewählt, die, wohlwollend beäugt von Werner Faymann, vom sehr geehrten Präsidenten der Russischen Föderation wissen wollte, ob dieser im Zuge seines Staatsbesuches ein damals besonders wichtiges Wirtschaftsprojekt (ich glaube, es ging um die Northstream-Pipeline) vorangetrieben habe. Putin bejahte. Zur Ehrenrettung der österreichischen Journalistinnen und Journalisten muss man sagen, dass sie wenigstens nicht stehend applaudierten – wie ihre russischen Kollegen.
Und dann bin ich Putin noch einmal recht nahe gekommen, eine halbe Stunde später. Vor der Hofburg war ein langer, roter Teppich aufgerollt worden, den der Diktator überschreiten möge, während links und rechts Soldaten des Bundesheeres im Spalier standen. Aber das waren nicht nur Soldaten, das waren Menschen. Den einen juckte es offenbar im Schritt, er blickte eine Weile recht gequält, ehe er es nicht mehr aushielt. Ein zweiter nieste, wieder ein anderer kämpfte sichtlich gegen das dringende Bedürfnis an, loszukichern. Der ehemalige Zivi in mir solidarisierte sich sofort mit diesen österreichischen Militärs, vor denen man sich beim besten Willen nicht zu fürchten imstande war. Politik und Medien hofierten den Diktator. Sie aber leisteten wenigstens Widerstand, indem sie sich am Sack kratzten.
Zugleich dachte ich an die berühmten Aufmärsche russischer Streitkräfte am Roten Platz in Moskau, an die gesichtslosen Gesichter der Nationalgardisten, deren Füße im Gleichschritt nach oben gehen, bis sie im rechten Winkel vom Körper abstehen. Daran, dass Putin unsere Landesverteidigung für einen Witz halten musste, was nur insofern kein akutes Problem war, weil er damals seine Kriege auf Tschetschenien und Georgien beschränkte, während er mit der Regierung in Wien gute Geschäfte machte.
Ich würde auch heute wieder Zivildienst machen. Aber im Gegensatz zu meinem 20-jährigen Ich habe ich inzwischen meinen militanten Antimilitarismus abgelegt. Das liegt auch daran, dass ich mich seither mit vielen Leuten aus dem Bundesheer unterhalten haben, auch sehr hochrangigen. Manche waren mir sympathischer, andere weniger. Aber niemand hätte eine Sekunde gezögert, die Aussage „Krieg ist Scheiße, man muss alles tun um ihn zu verhindern“ zu bestätigen. Ich habe mich mit Leute unterhalten, die Familie haben, ein Privatleben und außermilitärische Leidenschaften. Menschen, die mehr sind, als ihre Uniform, die einen Blick auf die Welt haben, den ich als bereichernd empfinde. Und ich habe auch ein Verständnis dafür bekommen, dass Landesverteidigung mehr ist, als Panzer und Waffen, als blinder Gehorsam. Dass kluge Köpfe stärker sind als Schießgewehre.
Worauf ich eigentlich hinaus will: In Anbetracht des Krieges im Osten gibt es viel, was mich hier in Österreich beunruhigt. Die Verantwortlichen dafür sitzen in fast allen politischen Parteien, in den Chefetagen der Zeitungen und in den Kommandozentralen großer Unternehmen. Was mir keine schlaflosen Nächte bereitet: Die Frage, ob ein paar Offiziere mitreden können, was in den Schulbüchern unserer Kinder steht. Auch Lehrerinnen und Lehrer mit militärischer Vergangenheit könnten – richtig eingehegt – den Unterricht insgesamt besser machen.
Dass die Kids vor jeder Stunde „Fighting for peace is like fucking for virginity“ auf die Tafel schreiben, können sie ohnehin nicht verhindern.
