Wie ich zwischen den Feiertagen nächtlichen Besuch von einem freundlichen Geist bekam und warum es dafür keine wissenschaftliche Erklärung gibt.
IN DER FÜNFTEN SZENE des ersten Aktes bekommt der arglose Dänenprinz Hamlet Besuch von seinem toten Vater, dem König. Er kommt als Geist und fordert Rache an Hamlets Onkel. Der hat den Papa nämlich auf dem Gewissen.
Als Shakespeares Hamlet vor mehr als 400 Jahren auf die Bühne kam, glaubte man in weiten Teilen Europas noch an Hexen und Dämonen, an Wahrsagerei und die Kraft von Amuletten. Aber die Vorstellung, dass sich Tote mit Lebenden unterhalten, war selbst für das zeitgenössische Publikum einigermaßen abwegig.
Auch Hamlets Kumpel Horatio meldet Zweifel an. Die Antwort des jungen Prinzen ist berühmt: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, Horatio, als eure Schulweisheit sich träumen lässt.“ Davon handelt diese Geschichte. Es geht um eine Erscheinung, wenn auch keine rachsüchtige. Es geht um einen — wenn man so will — freundlichen Geist. Der hat mich vor 20 Jahren zur Weihnachtszeit besucht. Nicht das Christkind, sondern ein Verstorbener. Oder vielleicht ein Sterbender, so eindeutig ist das nicht.
Hey, nicht weggehen, gib mir eine Chance. Ich habe dazu auch mit einem Wissenschafter gesprochen. Der hat mich nicht für verrückt erklärt.
DAMALS STOLPERTE ICH über eine Todesanzeige, die mir kurz den Atem stocken ließ. Von einem alten, schwer kranken Holzknecht. Jahre zuvor hatte ich ihn in einem Pflegeheim kennengelernt und danach nicht mehr groß an ihn gedacht. Das Irritierende war nicht die Tatsache seines Ablebens, es war der Zeitpunkt. Drei Tage zuvor hatte ich von ihm geträumt, am Tag seines Todes. Hat er sich von mir „verabschiedet“?
Verabschiedung: Dieser Begriff ist Leuten, die in Pflegeheimen arbeiten, geläufig. Zumindest einigen, mit denen ich dazu für diese Geschichte geredet habe. Sie haben mir bestätigt, dass auch sie manchmal von ihren Schützlingen träumen. Und zwar von solchen, zu denen sie eine besondere Verbindung haben. Wenn sie dann aufwachen, wissen sie: Er oder sie ist jetzt tot.
Sie wundern sich nicht, wenn sie tags darauf zur Arbeit kommen und das Bett leer ist. Sie hinterfragen das nicht groß: Der Herr Müller oder die Frau Maier haben sich vor der großen Reise noch verabschiedet. Unter den Leuten, mit denen ich mich unterhalten habe, sind übrigens auch solche, die alles andere als religiös oder spirituell sind. Sie sagen: „Ja, eh. Ist halt so, keine Ahnung.“
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