Der Ur-Trump aus Klagenfurt. Jörg Haiders Aufstieg, sein Fall und die Lehren daraus

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Der 2008 verstorbene Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider spielte schon vor zwei Jahrzehnten mit jenen Werkzeugen, die heute zur Standardausrüstung von Viktor Orbán, Björn Höcke und Donald Trump gehören. Ausgerechnet der bekennende Anti-Populist Peter Kaiser hat das Experiment beendet. Bloß wie?

IN PAAR TAGE vor der Wahl in Kärnten, die alles veränderte, kam es zu einem denkwürdigen Treffen auf der A2. Genauer: an einer Autobahntoilette, irgendwo zwischen Wien und Klagenfurt. Das war Anfang März 2013, es war ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit, am Straßenrand klebte harter Schnee.

Der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler von den Freiheitlichen hatte bei einer TV-Diskussion in Wien mit Peter Kaiser von den Sozialdemokraten die Klingen gekreuzt. Auch Kaiser wollte Landeshauptmann werden. Es war ein Zufall, dass sich die beiden bald darauf erneut über den Weg liefen. Wieder hatten sie dasselbe Ziel.

Zwischen Tür und Angel ergab sich eines jener Gespräche zwischen Menschen in der Politik, von denen die Öffentlichkeit nichts erfährt. Oder erst viele Jahre später, in der Nachbetrachtung, wenn die Betroffenen locker davon erzählen können.

DÖRFLER BAT DEN KONTRAHENTEN UM EIN WORT. Ein paar Jahre zuvor hatte er im Süden noch mehr als 45 Prozent bekommen. Damals hieß seine Partei BZÖ. Später benannten sich die Kärntner Rechtspopulisten um in FPK: nicht ganz FPÖ, aber beinahe. Jetzt heißen sie wieder FPÖ. Das nur der Richtigkeit halber, es ist kompliziert und eigentlich unwichtig.

Dörfler erzählte von einer geheimen Umfrage. „Wir verlieren wohl ein wenig“, sagte er. „Aber ihr kommt nicht an uns ran.“ So erinnert sich Kaiser im Gespräch mit JETZT. Und auch daran, dass Dörfler mit einem überraschenden Angebot kam: Warum nicht nach der Wahl zusammenarbeiten? Dörfler galt als gemäßigter Rechter. Erst recht im Vergleich zu heutigen FPÖ-Politikern wie Herbert Kickl. Aber Kaiser ließ ihn abblitzen. „Ihr werdet die Wahl nicht gewinnen“, erwiderte der. „Nach meinen Umfragen liegen wir fünf Prozentpunkte vor euch.“

Beide lagen falsch. Die SPÖ legte zwar wirklich stark zu. Viel überraschender aber war das Ergebnis der Freiheitlichen: Sie verloren mehr als 28 Prozentpunkte. Es war die mit Abstand schlimmste Wahlniederlage, die je eine Partei in Österreich zu verkraften hatte. Noch nie ist hierzulande eine politische Bewegung so zerbröselt wie BZÖ-FPK-FPÖ in Kärnten. Kaiser wurde in der Folge noch zweimal zum Landeshauptmann gewählt.

IN EIN PAAR MONATEN wird er zurücktreten, freiwillig. Manche in der SPÖ wünschen sich, dass Kaiser in zwei Jahren als Bundespräsident kandidiert. Ein roter Kaiser für die Hofburg? Wenn man ihn darauf anspricht, blockt er ab. Allzu große Lust habe er nicht, hört man. Aber er will sich die Möglichkeit wohl auch nicht ganz verbauen. Wer weiß, was sich bis 2028 noch alles tut.

Das aber nur der Vollständigkeit halber, auch darum geht es hier nicht. Sondern darum, was Kaiser sonst zu erzählen hat – über Aufstieg und Fall der FPÖ in Kärnten. Vor allem über ihren Fall: Es gibt nicht viele stocknüchterne Sozialdemokraten, die von sich behaupten können, eine rechtspopulistische Bewegung nachgerade zertrümmert zu haben. Überhaupt gibt es derzeit sehr wenige Leute, die wenigstens eine Ahnung haben, wie man den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg von Rechtsaußen beenden könnte.

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