Die kleine Alpenrepublik trauert den guten Zeiten mit Moskau nach. Rufe nach einem Ende der Sanktionen werden laut.
Ginge es nach Thomas Stelzer, dem Landeshauptmann von Oberösterreich, dann sollten die Wirtschaftssanktionen gegen Russland überdacht werden. Seit einem halben Jahr gebe es sie nun, zu einem Frieden zwischen Russland und der Ukraine hätten sie nicht geführt. Wohl aber der österreichischen Wirtschaft geschadet.
Sein Parteifreund, der konservative Bundeskanzler Karl Nehammer, ist zwar anderer Meinung. Aber der gerät langsam unter Druck, weil viele andere in seiner ÖVP ähnlich denken wie Stelzer. Und dann erst Herbert Kickl: Der Chef der rechtspopulistischen FPÖ findet, dass Moskau, Kiew und der Westen zu gleichen Teilen verantwortlich seien für das Blutvergiessen in der Ukraine. Wien sollte sich gefälligst raushalten und weiter Geschäfte mit Russland machen.
In kaum einem anderen EU-Land sind die Sanktionen so umstritten wie in Österreich. Fast die Hälfte der Bevölkerung möchte diese laut Umfragen aufheben. Nicht nur, aber auch weil die kleine, neutrale Alpenrepublik tatsächlich stark unter den Auswirkungen leidet.
Während sich die Kastanienbäume im Wiener Regierungsviertel der Trockenheit wegen bereits rot färben, steigt im ganzen Land die Panik vor dem Winter. Allein in Wien heizt die Hälfte der Haushalte mit Erdgas. Dass sich die Heizkosten wegen der Sanktionen bald versechsfachen könnten, ist denkbar geworden, denn mehr als 80 Prozent dieses Gases kommt eben aus Russland. Wladimir Putin könnte den Gashahn ganz zudrehen, so fürchten die Österreicher. Und anders als in Deutschland gibt es dafür in Österreich keinen Plan B.
Man hat sich dem Diktator ausgeliefert. Eine windelweiche Haltung gegenüber Moskau ist seit Jahrzehnten Staatsräson. Dafür floss billiges Erdgas.
Weiterlesen: NZZ Magazin, 27. August 2022