Bisher war Viktor Orban Putins Mann in Brüssel. Die Europäische Union konnte seine russlandfreundliche Politik mit Zuckerbrot und Peitsche jeweils eindämmen. Sollte nun aber der FPÖ-Chef zum österreichischen Bundeskanzler gewählt werden, wäre das nicht mehr so einfach.
Das noble Hotel Intercontinental am Rande der Wiener Innenstadt wurde erbaut, als es im Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion kritisch stand. Mehr als sechs Jahrzehnte ist es her, dass sowjetische Mittelstreckenraketen im Westen Kubas die Welt beinahe an den Rand eines Atomkrieges führten. Damals fiel dem neutralen Österreich eine ausgesprochen undankbare Rolle im Streit der Grossmächte zu.
Das kleine Land an der stacheldrahtbewehrten und auf östlicher Seite von Soldaten verteidigten Grenze zwischen den beiden Hemisphären war zur Schaukeldiplomatie verdammt: Man bekannte sich zur westlichen Wertegemeinschaft unter Führung der USA, hütete aber gleichzeitig das gute Verhältnis zu den kommunistischen Herrschern. Die Angst vor den Truppen des Warschauer Paktes war gross und nicht unberechtigt: Tatsächlich gab es in den 1960er Jahren in Moskau Planspiele für einen Einmarsch in Österreich. Sie wurden verworfen.
Jetzt schaukeln sie bald wieder
Die Welt hat sich seither radikal geändert. Aber der Kalte Krieg zwischen Russland und dem Westen ist unter anderen Vorzeichen zurückgekehrt. Wenn – wonach es derzeit aussieht – Herbert Kickl von der zumindest in Teilen rechtsextremen FPÖ Bundeskanzler wird, könnte Wien erneut zur Strategie des Pendelns zwischen der Autokratie in Moskau und den europäischen Demokratien zurückkehren. Diesmal freilich ohne grosse Not und mit weitaus schrilleren Tönen: «Kriegstreiberei» nennt Kickl die Unterstützung für die von Russland bedrängte Ukraine. Es stünde, behauptet er, dem neutralen Österreich nicht zu, bei dem seit drei Jahren tobenden Angriffskrieg Stellung zu beziehen. Die Alpenrepublik liefert zwar keine Waffen nach Kiew, leistet aber humanitäre Hilfe und unterstützt die EU-Sanktionen gegen Russland.
Und noch etwas ist anders als früher: Damals rang das kleine Land in einem schwierigen Umfeld ums Überleben. Mit einem Kanzler Kickl könnte Wien hingegen zu einem entscheidenden Akteur im Umgang Europas mit Putin werden.
Bei seiner Eröffnung galt das «Intercontinental» als modernstes Hotel der Donaumetropole. Inzwischen hat die mondäne Absteige am Parkring Patina angesetzt, nur die Kristalllüster im majestätischen Konferenzsaal erinnern an den Glanz vergangener Zeiten. Dort lud Kickl im August vergangenen Jahres zu einem Pressetermin mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und dem tschechischen Oppositionsführer Andrej Babis. Die drei Politiker verkündeten die Bildung einer neuen Rechtsaussen-Fraktion im EU-Parlament. «Patrioten für Europa» nennt sich das neue Bündnis jener politischen Kräfte, die nicht zuletzt ein auffälliges Verständnis für den Kremlchef eint.
Weiterlesen: NZZ am Sonntag, 11.01.2015
