Das war’s mit woke: Die Wiener Linke hat genug

Der renommierte österreichische Verlag Leykam hat nach einem Shitstorm die feministische Autorin Gertraud Klemm gecancelt – wegen angeblicher Transfeindlichkeit. Für viele aus dem progressiven Lager ist damit eine Grenze überschritten.

Eine Kollegin von Gertraud Klemm sagt, sie habe ja normalerweise keine Bedenken, ihre Meinung öffentlich kundzutun. In ihren erfolgreichen Büchern, mit denen die Mittfünfzigerin einige begehrte Literaturpreise eingeheimst hat, geht es meist um starke Frauen. Natürlich ist die Wiener Autorin Feministin und politisch eher links. Eine, deren Sympathie jenen gilt, denen Unrecht widerfährt. Das träfe derzeit zweifellos auf ihre Kollegin Gertraud Klemm zu. Trotzdem will sie sich hier nicht namentlich zu deren Fall äussern, so wie andere aus der Wiener Literaturszene: «Alle haben Angst vor einem Shitstorm», sagt sie. «Oder davor, gecancelt zu werden.» Wie Gertraud Klemm.

Die 54-jährige Romancière Klemm ist in den letzten Wochen ins Fadenkreuz einer kleinen, aber lauten Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten auf Social Media geraten, die – nicht nur in Österreich – seit einiger Zeit vornehmlich feministische Autorinnen einschüchtern, denen sie vorwerfen, den Feminismus nur halbherzig zu vertreten, weil sie Menschen mit Penis und Y-Chromosom, die Frauen sein möchten, nicht als gleichwertig anerkennten. «Terf» lautet der gefürchtete Kampfbegriff für sie: «Trans-Exclusionary Radical Feminist», Feministinnen, die Transpersonen ausschliessen.

Warum sie sich mit der völligen Aufhebung von klassischen Geschlechtern schwertut, hat die Biologin Klemm in zwei Gastkommentaren für die linksliberale Zeitung «Der Standard» ausgeführt. Es waren keine Streitschriften, sondern Überlegungen zu einem Thema, mit dem sich die meisten Menschen kaum beschäftigen. Klemm schlug einen versöhnlichen Ton an, sie wollte niemand kränken.

Aber das spielte keine Rolle. Fortan stand sie auf der Feindesliste.

Weiterlesen: NZZ am Sonntag, 12. Juli 2025