Das ABC der Manipulation

Mit bemerkenswerter Offenheit hat der Kommunikationschef des früheren Kanzlers Sebastian Kurz in einem Buch dargelegt, wie Öffentlichkeit und Medien in Österreich kontrolliert werden.

Gerald Fleischmann trägt eine Handschiene. Der Spin-Doctor der bürgerlichen Volkspartei ÖVP hat sich eine Sehnenscheidenentzündung geholt, weil er Teile seines nun erschienenen Buches am Handy getippt hat. Sagt er. Fleischmann ist ein begnadeter «Gschichtldrucker», wie man in Wien sagt: einer, der weiss, wie man der Wahrheit Spielraum gibt, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Er gilt als Erfinder der message control, jener Methode der Medienbeeinflussung, die seinem früheren Chef Sebastian Kurz 2017 den Weg ins Kanzleramt am Wiener Ballhausplatz geebnet hat.

Kurz wird demnächst wohl wegen Korruption und Untreue angeklagt. Auch Fleischmann – nach kurzer Pause mittlerweile als Kommunikationschef der ÖVP zurückgekehrt – droht als mutmasslichem Komplizen ein Gerichtsverfahren. Nun plaudert der Austro-Machiavelli aus dem Nähkästchen: über seine eigenen Kniffe und die der anderen Parteien. «Message Control» beschreibt, wie in Österreich Politik gemacht wird.

Journalisten umgarnen 

Der legendäre SPÖ-Bundeskanzler Bruno Kreisky wusste schon vor 50 Jahren, wie man die Eitelkeit der Berichterstatter nutzt. «Er erkor einen kleinen Kreis an Journalisten der wichtigsten Medien, die er exklusiv betreute», schreibt Fleischmann. Mitunter rief er sie spätnachts an und fragte nach ihrer ganz persönlichen Einschätzung aktueller politischer Fragen. Auch bürgerliche Redaktoren fühlten sich in ihrem Ego mächtig geschmeichelt. Fleischmann erwähnt freilich nicht, dass Kurz diese Methode noch verfeinerte, indem er sich bevorzugt mit Chefredaktoren zum freundschaftlichen Meinungsaustausch traf – gerne auch in teuren Bars bei einigen Gläsern Gin Tonic.

Eiskalt intervenieren

«Wenn man Mist gebaut hat, über den medial berichtet wird, gibt es die Möglichkeit, bei der Zeitung anzurufen und zu reklamieren, dass der Mist nicht erscheint oder zumindest weniger stinkend gebracht wird», schreibt Fleischmann recht allgemein. Tatsächlich war der PR-Experte berüchtigt für seine Demarchen in den österreichischen Zeitungsredaktionen. «Steuern über Angst» soll ein früherer Mitarbeiter Fleischmanns das Rezept genannt haben. 

Weiterlesen: NZZ am Sonntag

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