Die geschmierte Gewalt

Vergangenes Jahr gaben Österreichs öffentliche Stellen zusammen über 200 Millionen Euro für bezahlte Inserate aus. Sie annoncierten dabei oft Dinge, die schon bekannt waren. Der Zweck der Werbung war auch nicht Information, sondern Korruption. Einblicke in Österreichs politische Pressearbeit.

Als die damals blutjunge Kommunikationsberaterin Christine Aumayr-Hajek vor bald 20 Jahren nach ersten Berufserfahrungen in Deutschland für einen Job in ihre Heimat Österreich zurückkehrte, nahm ein Kollege sie bald zu Seite. Er erklärte ihr, wie man in Wien erfolgreiche Medienarbeit betreibe: «Du musst mit den Journalisten saufen gehen.» Aumayr-Hajek arbeitete damals als Pressesprecherin beim Ministerium für Soziales. Dort lernte sie rasch die österreichischen Besonderheiten im Umgang zwischen Politik und Medien kennen.

Einmal etwa sollte sie eine millionenschwere Kampagne ihres Ressorts vorstellen – was Aumayr-Hajek schlaflose Nächte bescherte. Die Regierung hatte beschlossen, Eltern in der ersten Zeit nach der Geburt eines Kindes mehr staatliche Förderung zukommen zu lassen und wollte dafür flächendeckend mit Inseraten und Plakaten werben. «Es hätte jedem klar sein müssen, dass das eine Verschwendung von Steuergeld war», sagt sie heute. Denn die Kampagne diente augenscheinlich nicht der Information, sondern der Selbstbeweihräucherung. Noch dazu war sie in Orange gehalten. Das war die Farbe des BZÖ, einer rechtspopulistischen Kleinpartei, der die damalige Sozialministerin angehörte.

Deutsche Journalisten, davon ist Aumayr-Hajek überzeugt, hätten sie damals in der Luft zerrissen: Was kostet diese Aktion, wie ist sie zu rechtfertigen und warum sieht sie aus wie Parteiwerbung? «Da hätten wir überhaupt nicht gut ausgesehen», sagt sie. Aber es kam keine harte Frage. Selbst Redaktorinnen und Redaktoren von angesehenen Qualitätszeitungen beliessen es dabei, in ihren Artikeln die offizielle Lesart der Regierung wiederzukäuen.

Die Korruption mit Inseraten hat System 

Aumayr-Hajek machte sich schon vor vielen Jahren als PR-Beraterin selbständig , sie arbeitet heute für unterschiedliche Kunden aus Politik und Wirtschaft. Ihr Befund fällt heute gleich aus wie damals: «Es gibt einige positive Ausnahmen. Aber Medien- und Anzeigenkorruption sind in Österreich ein systemischer Faktor.» Und mit dieser Meinung ist sie nicht alleine.

Seit einigen Jahren deckt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – das schärfste Schwert der österreichischen Justiz – Stück für Stück auf, wie stark Politik und Medien in der kleinen Alpenrepublik verfilzt sind. Immer wieder sickern Chat-Nachrichten in die Öffentlichkeit, die zeigen, wie sich Chefredaktoren und Zeitungsherausgeber im vertraulichen Plauderton mit hochrangigen Regierungspolitikern über gemeinsame Ferien unterhalten haben, über gesteuerte Hofberichterstattung und gegenseitige Unterstützung beim Postenschacher im öffentlichen Bereich.

Weiterlesen: NZZ am Sonntag, 23. April 2023

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